Texte und Metaphysik

Dienstag, 11. Oktober 2005

Das siebte Gebot


Der gemeinste Dieb ist der, der einem die Zeit stiehlt. Er hat sich im Selbst eingerichtet, raubt die Offenheit für das, was wesentlich ist, damit er frei walten kann.
Infolge dessen treffen wir Entscheidungen, die vom Wollen gesteuert werden. Dieses wägt Nutzen und Nachteil ab, ist aber ohne die Offenheit auf sich gestellt nicht in der Lage, das Ganze in eins zu erfassen. Der Wirkungsbereich des Willens beschränkt sich auf den des Seienden oder Erzeugenden, er ist ausschließlich an die Vergänglichkeit gebunden. Diese Form der Zeit wirkt umso schneller, je weniger ihr die Kraft der Unvergänglichkeit (des Wahren) entgegengesetzt wird.

„Jeder Machtzuwachs des Willens ist in sich eine erhöhte Wirksamkeit der Natur, welche wiederum die Macht des Willens steigert. Natur und Willen nehmen sich in eine Einheit zusammen, in welcher die Wirksamkeit der Natur die Gestalt des Willens und das Wollen die Gestalt des naturhaften Wirkens annimmt. Und das ist allerdings eine noch nicht dagewesene Konstellation von Mensch und Natur. [...]

Wollen ist ein Wirken nach Begriffen. Das Vermögen des begrifflichen Vorstellens ist die Vernunft. Die Vernunft hat ihren Ort im Wesen des Menschen. Der Träger, gleichsam das Subjekt der Willensherrschaft über das Wesen der Natur, ist daher der Mensch. Dem Menschen ist aus seinem Wesen aufgetragen, die Willensherrschaft zu gründen, einzurichten, auszubauen, überhaupt zu vollbringen, d.h. aber das Willen als den bestimmenden Grundzug seines Wesen zu übernehmen. Der Wille prägt nicht nur das Wesen der Natur, sondern ebenso sehr auch das Wesen des Menschen.“ (VolKmann-Schluck, S. 68, 69, s. Lit.)

Das Wollen 'ist' durch das Wirken nach Begriffen, die in der Vernunft wurzeln.* Das Vernünftige wägt ab.
Dem gegenüber steht das Lassen.
Loslassen
Freilassen
Zulassen usw.
In der Meditation: das Sein-lassen durch das Nichts–zulassen
Das Ziel besteht darin, dass es kein Ziel gibt, dass nichts gewollt ist.
Durch das nichts wollen, wird dem IST Raum gegeben, welches sonst vom wollenden Willen um Raum und Zeit bestohlen wird.

Mittwoch, 21. September 2005

Das sechste Gebot

ALLE LUST WILL EWIGKEIT
O Mensch! Gib acht!
Was spricht die tiefe Mitternacht?
"Ich schlief, ich schlief -,
Aus tiefem Traum bin ich erwacht: -
Die Welt ist tief,
Und tiefer als der Tag gedacht.
Tief ist ihr Weh -,
Lust - tiefer noch als Herzeleid:
Weh spricht: Vergeh!
Doch alle Lust will Ewigkeit -,
- will tiefe, tiefe Ewigkeit!"
(Friedrich Nietzsche)

Der Bruch, in dessen Zwischen der Mensch steht, ist nur scheinbar und im Empfinden des Moments zu überbrücken. Durch kein Tun im Außen erwerben wir uns die Gewalt, das Zerbrochene zusammenzufügen. Nur durch Besinnung auf uns und in uns selbst, durch (Bewusst-) Sein bewegen wir uns auf dem Weg des Bindenden, welches das Lösen nicht als Bedrohung erfahren lässt. Erst wenn der Gegensatz in seinem Anderen aufgenommen werden kann, ist Frieden möglich.



„Anhaften und Begierde
verhindern die Abkehr vom weltlichen Leben.
Um sie zu überwinden,
soll der Weise folgende Überlegung anstellen:
Wenn Geistige Ruhe
Mit durchdringender Einsicht verbunden wird,
kann man die Geistesgifte besiegen.
Strebe also zuerst nach der Ruhe des Geistes,
die durch den Festen Entschluß,
der Welt zu entsagen, entsteht.“
(Dalai Lama: Der Friede beginnt in dir. Herder/Spektrum 1999, S.135)

Samstag, 30. Juli 2005

Das fünfte Gebot

Teil II
Sich dem Gleichbleibenden, Ungeteilten zuwenden bedeutet, sich im Fluss des Werdens zu bewegen, ohne an den Dingen anzuhaften. Zu den Dingen gehören nicht nur die materiellen, sondern auch die Beziehungen. Denn auch sie sind so beschaffen, dass sie vom Vergehen überkommen werden können.

Sich in der Trennung selbst immer schon zu befinden, in dem „Dazwischen“, bedeutet, nicht von ihr überkommen werden zu können.
"trennung, gegen-über. der verlust des ein-fachen sehens in der zeit birgt auch die gefahr, erneut wunsch und wirklichkeit durcheinander zu bringen." (W.Schmid, klick!)

Das Trennende ist ja zugleich das, was auch die geteilten (vergänglichen) Dinge beieinanderhält. Nur der Aufenthalt in der Trennung selbst ermöglicht das Erfahren des Werdens in Momenten des Seins.

Das Sich-Aufhalten in der Trennung, die selbst nicht getrennt werden kann (im Werden), kann durch einen Sprung in die Philosophie erreicht werden: In das, was Denken und Sein als Eins bestimmt und erfahren lässt. Aber man gelangt dort nicht mit dem Wollen hinein, denn Wollen ist immer zugleich ein Anhaften. Es gelingt nur durch ein frei lassen – auch von sich selbst.

Alles andere ist ein Gewaltakt; dieses Gewollte ist das Töten des Werdens, nämlich das Sammeln von Stückwerk aus Zerbrochenem. In diesem Sinne ist das Töten das Gegenteil des Sterbens, welches die Philosophie als Möglichkeit bestimmt, den Aufenthalt im Immer-Seienden zu erreichen.

Freitag, 29. Juli 2005

Das fünfte Gebot Teil 1



- nur in mehreren Teilen möglich -

Teil 1: Sterben

„Die Philosophie ist eine Übung im Sterben. Diese Wesenbestimmung der Philosophie erwächst aus dem Philosophieren selbst, dessen Grundakt in dem Unterscheiden zwischen dem besteht, was die Sinne zeigen, und dem nichtsinnlichen Wesen der Dinge. [...] (Volkmann-Schluck, S. 21, f. ebd; siehe auch Menü)
In einer grundlegenden Vorerörterung zu diesem Beweis [Unsterblichkeitsbeweis, Anm. d. V.] stellt Plato die Frage: Von welcher Wesensart muss das sein, was vergehen kann? Und wie muss solches beschaffen sein, das vom Vergehen nicht überkommen werden kann. Die Antwort ist einfach: Vergehen kann nur solches, was seinem Sein nach die Struktur des Beisammen von etwas mit etwas hat. Denn dieses kann auseinandergehen und vergehen.(S. 22) [...] So stellt sich das Seiende in zwei Wesensanblicken dar: als das Sichtbare und als das Unsinnliche. Das eine und selbe Seiende ist gleichsam zweimal anwesend: als dieses und jenes einzelne ist es sinnenfällig, vielfältig, wandelbar, vergänglich: als das Was-es-ist ist es unsinnlich, einfach, immer sich gleichbleibend, unvergänglich. Mit dieser von der Philosophie immer beibehaltenen Unterscheidung ist ihr die Aufgabe gestellt, diese beiden Weisen von Anwesenheit sowie ihre Herkunft und die Art ihrer Zusammengehörigkeit zu begreifen [...] (S.23)
Sich dem Unwandelbaren erkennend zuwendend nimmt die Seele [des Menschen, Anm. d. V.] dessen Wesen an und gewinnt inmitten des Kommenden und Gehenden die feste Haltung des Sichgleichbleibens. [...] Nun ist das Immer-Seiende das Göttliche. [...] Für die Seele sind das Unsterbliche und das Sterbliche Grundmöglichkeiten des Sichverhaltens, da die Seele die Wesensart dessen annimmt, wozu sie sich jeweils erkennend verhält. Jetzt kann die Frage entschieden werden, wem die Seele mehr zugeartet ist, dem Sterblichen oder dem Unsterbliche: Je mehr die Seele sich dem Unsterblichen zuwendet, um so mehr trennt sie sich vom Leib, um so mehr ist sie für sich. Der Aufenthalt beim Immer-Seienden lässt sie in ihr reines, mit dem Leiblichen ungemischtes Wesen gelangen. (24) [...]
Das Streben nach Wesenserkenntnis lässt die Seele die Wesensart des Sichgleichbleibenden abnehmen.. Das Streben nach Wesenserkenntnis ist eine Angleichung an das Göttliche. Diese Bestimmung der Philosophie sagt im Grunde dasselbe wie die andere, wonach sie ein Streben nach dem Tode sei. Aber beide Bestimmungen sprechen nur zu dem, der selbst philosophiert. Dem Nichtphilosophierenden bleibt ihr Sinn verborgen.“ (S. 25)

Donnerstag, 28. Juli 2005

Zusatz zum vierten Gebot: Ein Bewusstsein von der Geschichtlichkeit der eigenen Existenz (H. v. Hentig)

als Datei: ein bewusstsein von der geschichtlichkeit der eigenen existenzhentig (doc, 183 KB)

Mittwoch, 27. Juli 2005

Das vierte Gebot

Na, wer kennt es - oder wer guckt unten? /Ich würde unten gucken! :-)
(Zunächst noch ein kleiner Hinweis: Auf die Übertragung der Texte bezüglich der Bibelbilder- und Worte gehe ich nicht ein. Das soll sich aus den Texten selbst ergeben!)

Das Anhaften an Seiendem, einhergehend mit der Täuschung, es gäbe Beständiges, das Reden und Meinen mit Worthülsen, welche die Phantasie vernichten und das Außer-Sich-Sein, welches das Leben im Augenblick verhindert, hat zur Folge, dass die Menschen sich in Beziehungslosigkeit verlieren.

Die Frage nach wesentlichen Bezügen, wird nicht gestellt. Ein wesentlicher Bezug des Menschen ist seine Geschichte. Ohne Wissen um die Geschichte, die uns und unser ganzes Umfeld prägt, sind wir nichts anderes als Tagestouristen im Center Park. „Wir sind gebrochene geschichtslose Wesen, welche die eigene Sprache nicht verstehen.“ (Nach Nietzsche). Unsere Geschichte bestimmt unser Existenz, es ist unter anderem die Frage: „Woher komme ich?“. Die Begegnung mit sich selbst im Kontext der Geschichtlichkeit erfordert die Fragen nach Ursachen und Gründen. Das Unwesen im Außerhalb des Selbstes jedoch begnügt sich mit Antworten auf das Identifizieren und Reagieren. Ein wahres Seinsverständnis ist erst durch ein Selbstverständnis möglich und dieses ist auf Bezüge angewiesen. Das Erkennen der eigenen Geschichtlichkeit ist eine Spurensuche auf dem Weg zu sich selbst.

Hartmut von Hentig hat in seinem Buch „Bildung“ (Beltz,1999) sechs Maßstäbe an denen sich Bildung bewähren kann, beschrieben und als Bildungskriterien formuliert. Das vierte Kriterium für Bildung lautet nach den ersten dreien „Abscheu und Abwehr von Unmenschlichkeit; die Wahrnehmung von Glück; die Fähigkeit und den Willen, sich zu verständigen“: „Ein Bewusstsein von der Geschichtlichkeit der eigenen Existenz“ (5.: „Wachheit für letzte Fragen“ und 6.: „Die Bereitschaft zur Selbstverantwortung und Verantwortung in der res publica.“. Da dort treffend beschrieben ist, welche Auswirkungen ein Geschichtsbewusstsein hat, werde ich ihn hier morgen ausführlich zitieren.

Erfassen des Seins, Fassen der Begriffe, Leben im Augenblick sind möglich, wenn die Auseinandersetzung mit der Geschichte stattfindet. Sonst befinden wir uns bezuglos, sprachlos und an vergangenem Seienden anhaftend im Veräußerten unseres Selbstes.

Dienstag, 26. Juli 2005

Das dritte Gebot



Der Augenblick als das Fest des Glücks


Als von uns selbst ausgeschlossene Wesen stehen wir im eigenen Außen und können nicht hinein in das Innen unseres Selbstes. Als Zuschauer unseres Lebens sind unsere Möglichkeiten begrenzt, Leben wesentlich zu gestalten. Wir bauen an und um, kaufen dazu und sammeln geschäftig, bis der Tod uns aus den materiellen Zwängen, welche auf das Außer-Sich-Sein folgten, befreit. Der technisierte Wille hat sich selbstständig gemacht und west in sich ausbreitendem Unwesen.

Aus unserer Mitte gerissen, hetzten wir vom Jetzt zum Jetzt, erfahren aber keinen Augenblick. Das Band der Zerrissenheit wird gespannt zwischen den Pfeilern Vergangenheit und Zukunft, dazwischen hängen wir wie nasse Säcke, als wenn Gott sie aus Versehen vergessen hat.*
Die Sammlung im Denken, die Be- Sinn -lichkeit ist in einem solchen Grundzustand nicht leicht umzusetzen. Glück wird als etwas im Außen zu Findendes verstanden, deshalb ist der Weg in das Innen auch nicht einsichtig. Die Wahrheit als Möglichkeit der Freiheit ist nicht erwünscht, da empfundene Freiheit aus Brücken, gebaut aus materiellen Gütern, eingerissen werden müssten. Die Ungewissheit, was sich hinter, unter oder außerhalb des eigenen Außen befindet, verschreckt den letzten Rest Mut. Die Einsicht, dass nur durch das Einreißen dieser Brücken der Weg ins Innen wieder bahnen lässt, ist vom Willen nicht gewollt.

Der Augenblick als das Fest des Glücks wird vertagt zugunsten einer andauernden (lebenslänglichen) Beerdigung des Seins. Das Vergehen wird betrauert, Schokoweihnachtsmänner schon zu Ostern verkauft. Wir eilen der Zeit voran und überholen uns selbst, wenn wir es schaffen, dann sind wir gestorben, bevor wir zu leben begonnen haben.

*lustig, wie das Gehirn so davon galoppiert...

Montag, 25. Juli 2005

Das zweite Gebot


Namensmissbrauch ist eine weitverbreitete und hoch ansteckende Krankheit. Namen rufen Bilder für die Dinge herbei. Da wir die Begriffe und Namen nicht mehr kennen, hantieren wir mit Worthülsen, die unsere Bilderwelt aushöhlen und vernebeln. Wir entleeren uns selbst. Sprache ist das Haus des Seins. Der Sprache nicht mehr mächtig, haben wir zudem verlernt zu schweigen. Das Schweigen ist die Sage der Sprache.

Das Denken wird durch die Sprache gezeugt. So zeigt sich das Denken eitel oder hochgestochen, kompliziert oder verklemmt, klar und ordentlich oder oberflächlich und blendend.

Denken und Sein als Dasselbe bringt Schöpferisches in Erscheinung. Die Schöpfung (das Geschaffene) zeigt die Qualität dessen, woher sie entspringt. Sprache eröffnet uns die Verwirklichung unserer Welten. Unsagbares verbleibt in den Möglichkeiten, Missbrauch der Wörter schafft Missverständnisse und Irrungen hin zu Scheinwelten.

Wir reden mehr als wir sagen. Die Rede kümmert sich nicht um das Wesentliche, um das Eine und Ganze, in dem sich das Wesen sammelt. Die Rede kennt keine Fragen nach Gründen und Sinn. Die Rede führt uns aus unsere Mitte heraus in die Veräußerung. Vom Außen her können wir nicht mehr in das Innen blicken, da wir das Schauen verlernt haben. So befinden wir uns außerhalb unserer selbst, sprachlos redend und von Weltanschauungen und Meinungen eingeengt unfähig das Wesentliche zu schauen.




Die Darstellung der Strafe in diesem kleinen Katechismus ist doch wirklich beeindruckend... Menschenphantasien...

Donnerstag, 21. Juli 2005

Gebot 1 von 10

Das Sein als das Allem Seienden zu Grunde Liegende kann nicht allein durch das Erforschen des Seienden geschaut und gefunden werden. Alles Seiende ist nur von vorübergehender Dauer und aus dem Sein Werdendes und Vergehendes. Die Annäherung an nur Werdendes und Vergehendes bringt uns selbst aus dem Fluss, da wir uns an Dinge klammern wie an Treibholz, anstatt selbst zu schwimmen. Die ständige Suche nach dem Grund und Sinn allen Daseins ist das lebendige Werden, in dessen Fluss wir den Augenblick erfahren können. Jedes Anhaften an die dauerhafte Existenz der Dinge ist eine Täuschung, die sich nur für kurze Zeit aufrecht halten lässt, bis sie ent-deckt wird. Das Anhaften an Seiendes geht einher mit Enttäuschung. Durch das Erinnern und Planen-Können ist der Mensch der Falle ausgesetzt, zu glauben, es gäbe Beständiges unter dem Seienden. Das Nicht-Seiende ist denkend zu erfassen.

Da die Menschen entweder nicht denken konnten oder zu faul waren, wurden diese Zusammenhänge als Gebot bzw. als Befehl formuliert.
Die institutionalisierte Glaubensgemeinschaft hat zur Sicherheit und Kontrolle für die Einhaltung dieser Gebote auch Drohungen formuliert.

Sonntag, 10. Juli 2005

Denken und Sein




(Zu „bindendes Dichten v. 3.6. Versuch einer Legende“)

Beziehung von Denken und Sein

„[...] das Denken ist als das sich öffnende Erblicken des in der Offenbarkeit erscheinenden Seins.“ (s. u. S. 19)

Das Sein des Einzelseienden lässt sich nur denkend erfassen. Damit ist es aber nichts nur Vorgestelltes. Das Sein der Erscheinungen ist das, wonach ein jedes weiß, wie es zu sein hat. Sein als mögliche Wirklichkeit gibt an, zu was etwas werden kann.

Das Gedachte selbst steht in der Zeit (als Gegen – Stand, also Stehendes) und auch das Denken, mit dem das Sein gedacht wird, steht in der Zeit, da es auch vergeht bzw. nur einen Ausschnitt (ein Jetzt) lang währt. Das Sein selbst steht auch in der Zeit, da es bleibendes Anwesendes des Erscheinenden ist, welches sich durch ein „Jetzt“ gekennzeichnet ist. (Alles, was im Jetzt ist, ist mehr seiend als wenn es vergangen oder noch kommend ist.)
Das Sein ist mehr als nur Gegenstand des Denkens, mehr als nur ein Moment des Werdens, da es auch das versammelt, was bleibend ist. Das Sein zeigt sich in Momenten des Werdens als Seiendes.

Das Gedachte ist nicht gleich dem Denken mit dem das Gedachte gedacht wird. Bewusstsein ist zwar immer ein Bewusstsein von etwas, wozu auch das Denken selbst zählen kann, aber der Gegenstand des Denkens ist nicht gleich Denken selbst. So unterscheiden sich Denken und Bewusstsein. Denken ist ein Prozess – und wenn ich mir einen Baum vergegenwärtige, dann „bäume“ ich nicht, sondern denke. Denke ich mir das Denken, dann denke ich dies so, wie ich mir einen Baum denke. Im Bewusstsein ist der Baum ‚Gegenstand’, doch er ist ‚entstanden’ durch das Denken, dass ihn formte.

Dieses Formen des Baumes durch das Denken kann geschehen, weil wir die Idee eines Baumes haben. „Sowohl Plato als auch Aristoteles erklären, das on, das Sein, sei das proton noeton, das bei allem Denken von etwas zuerst und immer schon Gedachte, damit überhaupt etwas gedacht werden kann.“ (s.u., S.25)
Das Sein des Baumes ist das, was an ihm zugleich anwesend und nicht vergänglich ist. Ein Baum als Gegenstand des Bewusstsein ist meines Erachtens in Bezug auf den Seiendzustand gleich einem Baum in der Natur, kommend und gehend, also vergänglich und bloßes Seiendes.

Sobald etwas erscheint, ist es als Seiendes vergänglich und das Sein ist in seinem Wesen auf bestimmte Weise gemindert. Das an dem Seienden anwesende Bleibende, das Sein, offenbart sich auf diese Weise, es ändert seine Gestalt je nach Seiendzustand (kommend, gegenwärtig, gehend).

Sobald etwas gedacht wird, ist das Gedachte vergänglich, das Denken ist in seinem Wesen auf bestimmte Weise gemindert, da es vergangen ist. Das an dem Gedachten anwesende Bleibende, das Denken, offenbart sich in dem Gedachten, es west in seiner Struktur an.


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„Wenn aber die Griechen das Seiende als das im Unverborgenen Anwesende, als das Erscheinende, als Phänomen erfuhren, dann muss ihnen doch die Offenbarkeit als solche, die aletheia in einer bestimmten Gestalt erschienen sein. Die aletheia ist ihnen in zwei – freilich beschränkten – Gestalten erschienen: einmal als noein, Denken, und ferner als logos, Darlegen einer vorliegenden Sache in dem, was und wie sie ist. Das bezeugt einmal der bekannte Satz des Parminedes: ‚Denn dasselbe ist Denken und Sein.’ Ein Satz der das Wesen des Denkens bestimmt, demgemäß das Denken ist als das sich öffnende Erblicken des in der Offenbarkeit erscheinenden Seins. Desgleichen legt der logos die von ihm dargelegte Sache in dem, was und wie sie ist, offen. Das heißt also: Die aletheia, die Unverborgenheit des Seins, kommt im griechischen Denken immer nur bezughaft zur Sprache und zum Vorschein: im Bezug zum noein, zum Denken, und im Bezug zum logos, zur Aussage, nicht aber als sie selbst, als Unverborgenheit. So kommt es denn, dass wir bis heute dem Denken und der Aussage primär die Wahrheit zuweisen. (Volkmann-Schluck: Die Philosophie Martin Heideggers, Hrsg. Bernd Heimbüchel, Königshausen & Neumann, 1996, S.19)


Die postmetaphysische Seinsfrage
Die Frage „Was ist das ‚ist’, macht nicht das IST zu einem Seienden, das man auf sein Sein wiederum hin befragen kann. Heidegger fragt in ‚Sein und Zeit’ nach dem Sinn von Sein. „’Sinn’ meint das, woher das Verstehen von etwas entspringt, worin sich die Verstehbarkeit von etwas hält. ‚Sinn’ ist der Ursprung der Verstehbarkeit und des Verstehens von etwas. Im Falle eines Vorhabens ist das Woher seiner Verstehbarkeit das Wozu, der Zweck des Unternehmens. Was also möchte nun entsprechend die Frage nach dem Sinn von Sein in Sein und Zeit besagen? Einfach dieses: Woraus entspringt und worin hält sich das Verständnis von Sein?
[...] Sowohl Plato als auch Aristoteles erklären, das on, das Sein, sei das proton noeton, das bei allem Denken von etwas zuerst und immer schon Gedachte, damit überhaupt etwas gedacht werden kann. Denn wenn etwas überhaupt gedacht werden kann, dann denken wir es als etwas, was in irgendeiner Weise ist. Also ist Sein immer schon gedacht, d.h. immer schon irgendwie verstanden.“ (ebd., S. 25)

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rahelrath - 13. Nov, 22:09
schön
dieses Bild......
wfschmid - 13. Nov, 18:09
und mit soviel begeisterung:)
und mit soviel begeisterung:)
Imke-Hinrichsen - 11. Nov, 20:32
:-) Er macht das doch...
:-) Er macht das doch echt gut, irgendwie ist er so...
rahelrath - 11. Nov, 15:59

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