Texte und Metaphysik

Mittwoch, 6. Juli 2005

„Alles, was erscheint, verbirgt seinen Gegensatz“


Reflexion zur Philosophievorlesung von W. Schmid vom 5.7.05

Sobald etwas erscheint, ist es mit sich selbst identisch. Es gibt nichts, das es auch selbst ist. Nur das Erscheinende hat die Eigenschaften, die es ausmachen. Nichts anderes ist zur selben Zeit am selben Ort in Erscheinung getreten. Allein da, wo es erschienen ist, kann nichts anderes sein.
Auch wenn es sich verändert, ist es immer noch es selbst und bleibt mit sich selbst identisch. Das, was erscheint hat seinen Gegensatz inne, nämlich das, was es nicht ist.

Etwas anderes kann die gleichen Eigenschaften haben. Da das andere aber nicht am selben Ort erscheinen kann, wie das Erstere, kann es ihm nur gleichen. „1+1 = 2“. Die „2“ ist nicht das Selbe wie „1+1“, es ist nur das Gleiche.
Die Ähnlichkeit zwischen zwei Erscheinungen kann durch viele gleiche Eigenschaften festgestellt werden (Morgendämmerung – Abenddämmerung ). Ab einem gewissen kritischen Punkt sind es nur noch so wenige gemeinsame Eigenschaften, dass die Erscheinungen verschieden sind (Mittagssonne – Abenddämmerung). Gibt es keine gemeinsamen Eigenschaften mehr, dann sind die Erscheinungen entgegengesetzt (Tag – Nacht).
Das Gegensätzliche in uns ist das Gegengewicht, ohne den Gegensatz würden wir auseinander fallen. Der Gegensatz lässt sich nicht aufgeben oder aufheben. Er lässt sich nur erkennen. Die Dominanz einer Seite bringt uns aus dem Gleichgewicht. Was wäre der Tag ohne die Nacht? Was wäre die Liebe ohne den Hass? Das Erkennen des Hasses und seiner Ursachen führt zu einer Auflösung der Bewertung und des sich Angehenlassens durch dieses Gefühl.
An dem Punkt, an dem sich Tag und Nach am stärksten angleichen, wandeln sie sich in ihr Gegenteil. Das Gleichwerden mit etwas bedeutet, ungleich mit sich selbst zu werden bzw. die Dominanz der einen Seite vermindert die andere. Nur durch das Ungleichwerden mit sich selbst, kann Neues entstehen.

In eins mit dem Angleichen und dem sich selbst Ungleichwerden (Tag wird der Nacht gleich, wird damit sich selbst ungleich), löst sich Helligkeit immer mehr auf und Dunkelheit verdichtet sich (immer weniger Lichtpunkte an einem Ort = Dichte der Dunkelheit.) Auflösen und Binden geht in eins mit dem Gleichen und Umgleichen.
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Im WERDEN ist das Entstehen und Vergehen inbegriffen. Und das immer und von Beginn an: Wenn etwas wird, wird es nicht zu dem, was es auch hätte werden können. Das Entstehen ist zugleich Vergehen. Einmal Vergehen von sich selbst (sobald ich entstehe, vergehe ich auch wieder!) und einmal als Vergehen der Fülle von Möglichkeiten. Alles Entstehen ist Einschränkung. Vor allem Werden i s t die Fülle, im Werden entsteht mit dem Verwirklichen die Leere. (Was man bei z.B. manchen Menschen auch sofort sehen kann.)
Nur durch das Vergehen von Wirklichkeit kann sich wieder die Fülle der Möglichkeit entfalten.




Zitate zur Vorlesung:
„Nach Hegel lässt sich die Entzweiung aber nicht einfach außer Kraft setzten oder überspringen. Im Gegenteil kann durch Entzweiung ein reicherer und differenzierter Zusammenhang hervorgebracht werden. Dieser Zusammenhang,, der das Verschiedene verbindet, ist für Hegel vernünftig. [...]
Er [knüpft] an die Vorstellung wieder an, dass Vernunft Einsicht in die Wirklichkeit selbst sei [...] So will Hegel die Lehre von der Wirklichkeit als Ganzheit verbinden mit einer Lehre vom Subjekt als Selbstbewusstsein oder Denken.“ S. 234

„Wirklichkeit ist kein Gegenstand (Ding oder Substanz) hinter der Erfahrung, sondern der umfassende Zusammenhang, der sich in der Erfahrung zeigt. Insofern will Hegel in seinem gesamten Werk diesen übergeordneten Zusammenhang oder diese Einheit aufzeigen. Besonders in seinen frühen Schriften nähert er sich diesem Zusammenhang mit dem dialektischen Begriff des Lebens, das sich entzweit und wieder zusammenkommt, und dem der Liebe als Vereinigung (mit Bezug auf Hölderlin). Hegel nennt den übergeordneten Zusammenhang ‚Geist’. Die ‚Phänomenologie des Geistes’ will zeigen, wie der Gegensatz zwischen Bewusstsein und Gegenstand sich aufhebt. Eine entscheidende Rolle spielt die Erfahrung. Der Mensch muss nicht über die Erfahrung hinausgehen, um zur Wirklichkeit als einer dahinterliegenden – und insofern unerreichbaren - Instanz - zu gelangen. Sondern in der Erfahrung selbst geschieht die Überschreitung, genauer: Die Erfahrung ist eine Selbstüberschreitung.“ 235

„Besondere Bedeutung gewinnt hier das Verhältnis des Bewusstseins zu einem anderen Bewusstsein als seinem Gegenstand. Die Pointe ist: Das Bewusstsein kommt erst als Selbstbewusstsein, durch das Verhältnis zu einem anderen Selbstbewusstsein, in dem es sich selbst findet, zu sich selbst. Dieses Verhältnis gelingt, wie Hegel zeigt, nur wechselseitig, in gegenseitiger Anerkennung. Diese Pointe, der Zusammenhang zwischen Selbstverhältnis und Verhältnis zum Anderen (zum anderen Selbst) wird ausgeführt in Hegels Schlüsselbegriff ‚Geist’. Der Geist lässt sich vorläufig durch drei Momente abstrakt bestimmen: 1. Er ist eine unmittelbare, unentfaltete Identität. 2. Er tritt aus sich heraus, entfremdet sich von sich selbst im Verhältnis zum anderen, dem er gegenübersteht, und wird damit selbst ein Anderer. 3. Er kommt zu sich zurück, sieht sich selbst in dem Anderen. Erst durch das Aus-sich-Heraustreten, das Sich-im-Anderen-Verlieren, so der Grundgedanke, kann das, was man selber ist, entfaltet werden. Erst dadurch kann man sich selbst wahrhaft finden und werden, was man ist.“ 236 Philosophie Lexikon, Rowohlt 1991

Samstag, 2. Juli 2005

Weltanschauung I

Dem Denken nicht mehr mächtig, gestalten wir das, was wir wahrnehmen, entsprechend den uns zur Verfügung stehenden Schubladen, welche auf Grund von Erziehung und Bildung entstanden und geformt sind. Wir wurden nicht (und heute werden es Schüler immer noch nicht) mit dem Werkzeug ausgestattet, das wir benötigen, um uns wenigstens selbst unsere Schubladen zu zimmern. Nein, die Schubladen werden gleich – fertig geliefert – in uns hineingeschoben, damit die Welt um uns herum nicht auf uns einstürzt, sondern gleich ordentlich verpackt werden kann. Die Lehrenden, welche uns diese Orientierungsschubladen zur Verfügung stellen, haben manchmal einige Probleme, da diese Schubladen nicht immer passen. Dann wird geschliffen, geschmirgelt und gefeilt. Im schlimmsten Fall muss man auch mal mit dem Hammer ran. (Tipp: Das Kind merkt davon nicht soviel, wenn man ihm vorher ein paar Ritalin zukommen lässt.) Zudem sind die Lehrenden selbst meistens nicht in der Lage, Werkzeuge des Denkens anzuwenden, deshalb sind sie auf Schmirgelpapier, Feile und Hammer angewiesen. Denken hat mit Schubladen nichts zu tun. Schubladen sind durch bestimmte Aussagen gekennzeichnet. „Man muss doch alle auf einen Lernstand bringen“, „Man muss doch irgendeine Kontrolle haben“, „Man muss doch ....“.


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Haben wir durch entsprechenden Unterricht ausreichende Schubladen eingeschoben bekommen, können wir die Welt dann anschauen. Und wir werden nur noch das sehen, was in eine unserer Schubladen passen könnte. Das sind vor allem die zweckdienlichen, nützlichen (und technischen) Sachen. Denn auf den Nutzen wird viel Wert gelegt.
Mit dem, was uns nicht vertraut ist, können wir nichts anfangen. Da wir auch nicht gelernt haben, eigene Fenster zu schaffen – oder diese offen zu halten, reduziert sich die Welt um uns herum auf das nützliche Minimum. Menschen, die „’zu’anders“ sind, werden gemieden; was nicht einsortiert werden kann, macht Angst: „Wohin damit? Ne, lieber nicht, da entsteht nur Unordnung!“
Die „Weltanschauung“ ist dadurch gekennzeichnet, dass sie Grenzen hat und die Freiheit fürchtet. Und sie zeigt sich durch die Unterscheidung von richtig und falsch. Die Weltanschauung ist der Blick eines Menschen, der selbst keine „Haltung“ hat, sondern von einem Schubladensystem zusammen- und aufrecht gehalten wird. Wo nicht das eigene Denken das Dasein bestimmt, sondern fremde Vorgaben, nur dort kann auch etwas irgendwann einmal zusammenbrechen.

Donnerstag, 30. Juni 2005

Das Denken trifft im Kopf ein



„Guten Tag, ich bin das Denken, haben Sie hier ein paar Neuronen zu verschenken?“
"Och, nö. Ist grad alles so ungewiss, da will man lieber alles für sich bei Seite legen, heutzutage muss man sparen.
„Ja, da haben Sie aber großes Glück, dass ich jetzt grad vorbei komme, ich habe Ihnen da nämlich ein phantastisches Angebot zu machen!“
Ähä?“
„Wenn Sie mir nur ein paar Neuronen zur Verfügung stellen, dann behalten Sie diese nicht nur, sondern sie erhalten sogar noch Zinsen und Zinseszinsen. Außerdem bekommen Sie von unserer Firma ein Superabonnementbegrüßungsgeschenk, wenn Sie noch bis zum nächsten Augenblick zusagen!“
Ach, das klingt ja ganz interessant! Was ist denn das für ein Geschenk?“
„Ein Laminiergerät, äh ich meine eine große Portion Glückshormone. Das ist so etwas ähnliches wie ein Lachsack, nur nicht so schwer.“
Und wie viele Neuronen wollen Sie denn dann nun haben?
„So viele, wie Sie für die Vergegenwärtigung eines Bildes brauchen, das Sie in Form eines Wortes erhalten. Wollen sie nun? Dann unterschreiben Sie bitte mal hier.“

Der Kopf unterschreibt das Formular, zwar mit etwas Stirnrunzeln – aber unterschrieben ist unterschrieben.

„Nun, dann kann es ja losgehen. Das Wort, das Sie nun erhalten, besteht aus mehreren Teilen. Ihre Aufgabe ist, dem Wort bunte Bilder einzuhauchen. Achtung, es geht los.

Liebe
Liebesbrief
Liebesbriefbegrüßung
Liebesbriefbegrüßungsformel
Liebesbriefbegrüßungsformelanfang
Liebesbriefbegrüßungsformelanfangsbuchstabe
Liebesbriefbegrüßungsformelanfangsbuchstabengröße
Liebesbriefbegrüßungsformelanfangsbuchstabengrößenunterschied

Und welches Bild hatten Sie?“
Ein ziemlich merkwürdiges. Es hat sich bewegt. Insbesondere bei dem Wort „Formel“ und „Unterschied“ musste ich etwas schmunzeln, denn eigentlich, denkt man ..."
„Also bitte, ich bin nicht ‚man’!“
„... dass bei einem solchen Brief etwas persönliches angemessen wäre.“
„Haben Sie denn eine Idee, was Sie da gemacht haben?“

„Sie haben KONKRETISIERT ! Das ist eine erste Stufe des Denkens. Dabei werden alle Neuronen aktiviert, die das entsprechende Wort und Bild beherbergen. Die Neuronen müssen sich dann schnell gegenseitig informieren, wenn das nächste Wort erscheint, sonst kann man die Wörter nicht aneinander binden. Ich nehme an, dass Sie dieses lange Wort noch niemals gedacht haben?“
Nein, das war ganz was Neues!“
„Na, prima, dann haben wir das ja geschafft!! Ich lasse Ihnen mal meine Visitenkarte hier, bitte. Sie können mich dann gerne anrufen, wenn Sie noch eine Frage haben.“
Ja, danke schön.

Das Denken macht sich schleunigst auf den Weg, da es heute noch bei 5 anderen Köpfen noch klingeln muss, es arbeitet nämlich auf Provision.

"Wir drehen am Rad"


„Die Welt dreht sich niemals schneller oder langsamer. wir "drehen am Rad" gegen den Rhythmus der Gestirne.“ Raajin


Das Außersichsein ist keine Folge des „viel Erlebens“. Wer viel erlebt, bleibt länger jung. Innerhalb kürzerer Zeit gibt es mehr Ereignisse, die verarbeitet werden. Viele Ereignisse lassen die Zeit schneller vergehen, im Rückblick aber wird diese Zeit als länger (weil ‚reicher’ an Ereignissen) empfunden.

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Das Außersichsein ist eine Folge der Abwendung von dem, was im Augenblick erlebt wird. Es ist die (Zer-) Streuung durch Unaufmerksamkeit und Oberflächlichkeit. Die intensive Beschäftigung mit etwas durch Aufmerksamkeit und Konzentration ermöglicht das bewusste Erleben des Augenblicks. (Damit ist nicht das „Sich-Verlieren“ in einer Tätigkeit gemeint.) Nur der Augenblick kann uns bewusst werden. Nicht mehr. Alles, was zeitlich davor liegt, ist Erinnerung, alles, was danach kommt ist Planung. Wir leben eh der Zeit hinterher. Die Vorgänge, die wir als bewusstes Erleben mitbekommen, sind neuronal schon vorher gelaufen. Die von uns als Gegenwart erlebte Zeit ist die Phase, in der die Zukunft vorbereitet und entschieden wird. Das ist die natürliche Taktung unseres Lebens.

Wird das oben beschriebene „viele Erleben“ nur halbherzig bedacht, dann wirkt es sich nachteilig auf unser Erleben und Empfinden aus. Wir verfallen ohne das Erleben des Augenblicks, da wir grundsätzlich Orientierung brauchen, in das Erinnern und Planen. Wir füllen in kostbaren Augenblicken Tagebücher und Terminkalender mit Vergangenheit und Zukunft.

Sonntag, 26. Juni 2005

„Kunst kommt von Können, käme sie von Wollen, so würde sie Wulst heißen.“



„Kunst kommt von Können, käme sie von Wollen, so würde sie Wulst heißen.“ Max Liebermann
Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele. Pablo Picasso

„Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar".
Paul Klee

Die Fähigkeit, Bilder in Worte zu wandeln, kann als Kreativität bezeichnet werden. Die Fähigkeit, mit Worten so umzugehen, dass sich bei anderen klare, lebendige, berührende Bilder gestalten, kann als Kunst bezeichnet werden. Kunst zwingt, wenn sie Kunst ist, zum eigenen Gestalten. Dieses Gestalten muss sich nicht direkt materialisieren, es können auch die geistigen Bilder sein, die entstehen oder verändert werden. Neue oder veränderte Bilder werden sich immer auf das Verhalten und auch Handeln auswirken.

Wenn der Geist durch einen Text zum Bilderleben verführt wird, hat dies eine Wirkung. Es ist nicht zu sagen, ob diese Wirkung sich immer aufladend zeigt, denn es gibt auch Eindrücke, die einen traurig stimmen oder sogar zunächst nieder-schlagen. Kunst aber wirkt nicht destruktiv zerstörend, sondern wenn zerstörend, dann im Sinne eines radikalen Wandels, der dazu zwingt, neue Wege zu denken.

Die Bilder, die durch das Sehen eines Kunstwerkes oder durch das Lesen eines Textes entstehen, sind nicht gegenständlich. Sie sind Produkte unseres Geistes, welche jeweils nur einen Augenblick verweilen. Dieses Produkt, das eigene Bilderleben, ist das für einen Augenblick sichtbar gewordene sonst Unsichtbare. Wörter rufen die Dinge beim Namen, Bilder der Kunst malen sie in unseren Geist hinein. dscf0084
Wenn eine bestimmte Perspektive durch die Texte oder Bilder der Kunst in unserem Geist Raum bekommen hat, sind wir erst in der Lage, sie zu sehen, wahr-zunehmen und zu erkennen. Dadurch kann uns das Unsichtbare sichtbar werden.


„Das Tempel-Werk [...] lässt, indem es eine Welt aufstellt, den Stoff nicht verschwinden, sondern allererst hervorkommen, und zwar im Offenen der Welt des Werkes: der Fels kommt zum Tragen und Ruhen und wird so erst Fels; die Metalle kommen zum Blitzen und Schimmern, die Farben zum Leuchten, der Ton zum Klingen, das Wort zum Sagen.

All dies kommt hervor, indem das Werk sich zurückstellt in das Massige und Schwere des Steins, in das Feste und Biegsame des Holzes, in die Härte und den Glanz des Erzes, in das Leuchten und Dunkeln der Farbe, in den Klang des Tones und in die Nennkraft des Wortes.“
M. Heidegger: Der Ursprung des Kunstwerkes, Reclam 2001, S. 42

Freitag, 24. Juni 2005

Die Schwingung eines Textes.

(zu „½ ungleich 0.5“ v. W. Schmid)

Das Schwingen in der unmittelbaren Begegnung wird durch die Unmittelbarkeit eines Textes verändert, aber nicht vollständig aufgehoben. Ein Text verbirgt die Schwingungen auf besondere Weise, die ein Sprecher in einem direkten Gespräch unmittelbar vermittelt. Das, was durch die Verschriftlichung verloren geht, ist die Rückkopplung des Gegenübers.

Die Schwingung eines Textes bewirkt geistige und emotionale Auf- oder Entladung des Lesers. Es gibt Texte, nach deren Lektüre wir uns regelrecht erschöpft fühlen. Meist liegt die Ursache darin, dass wir diesen Text nicht verstanden haben. In diesem Fall ist der Text unverständlich und unklar. Er hat keine Bilder geschaffen und nicht eingeladen, mit diesen zu spielen, sodass eigene Gedanken wachsen können.

Es gibt Texte, in denen wir uns regelrecht „einrichten“, das zeigt sich dadurch, dass man gleichzeitig mit Aufschlagen des Buches in die darin verborgene Welt eintaucht. Die Umgebung, Störungen etc. treten in den Hintergrund. Hiervon sind nicht nur Romane betroffen! Man kann sich auch in Fachbüchern, welche die Inhalte anschaulich darstellen, sehr zu Hause fühlen.

Wenn sich zwei (oder mehr) Menschen gut verstehen, dann spricht man auch davon, dass sie gemeinsam „schwingen“. (Diese gemeinsame Schwingung kann dadurch gestört werden, dass der eine mit einer „höheren Frequenz“ gestresst von der Arbeit kommt.)

Auf ähnliche Weise können ein Leser und der Autor, repräsentiert durch den Text, gemeinsam schwingen. Der Leser wird gleichsam auf den Schwingen des Textes davongetragen. Andersherum ist dies natürlich so nicht möglich.

Donnerstag, 23. Juni 2005

"Modernisierungsversuch" des Heidegger-Zitats

Gedanken zur Vorlesung „Geschichte der Philosophie“ von Wolfgang Schmid vom 21.6.

"Sprache ist das Haus des Seins"

(„Wohnst du noch – oder lebst du schon?“)

Wohnst du in einer Mietwohnung?
In einem Fertighaus dank Eigenheimzulage?
In einer mit Efeu bewachsenen Villa mit vielen Ecken und Zimmern?
In einem Schloss mit Erkern und schönem Ausblick?
In einer Eigentumswohnung, die subventioniert wurde?
In einer Jurte oder einem Bauwagen, auf verschiedenen Wiesen?


Ob das Sein in einer Mietwohnung lebt, erkennt man daran, dass man sich Wörter nur borgt. Sie sind nicht verbindlich und dauerhaft gültig. Das Wortrepertoire ist im besten Falle renoviert, aber nicht neu und originell. Es sind übernommene Sätze, die man irgendwann weitergibt. Im schlimmsten Fall übernimmt man auch die Einrichtung des Vormieters samt Vorhängen. Eine Mietwohnung ist auf eine bestimmte Zeit beschränkt. Es gibt keine Absicherungen gegen zwangsweise Modernisierungsmaßnahmen des Vermieters; wenn man sich nicht benimmt, kann einem auch fristlos gekündigt werden. Der Vorteil einer Mietwohnung ist natürlich die gegebene Freiheit. Man kann wieder ausziehen, wenn es einem zu langweilig geworden ist. Je nach Mietspiegel und Portemonnaie richtet man sich dann wieder woanders ein.




Die Sprache als Fertighaus sieht auf den ersten Blick sehr ordentlich aus. Es sind hier zwei Varianten zu unterscheiden: Die günstige, bei der nur in die nötigsten Materialien investiert wird und die teure Version inklusive Solar- und Wasserwiederaufbereitungsanlage. Der Besitzer dieses Hauses kennt seine Wörter und ist sich im Klaren darüber, welche er wählt. Wie aus einem Katalog sucht er sich die Sprach- und Denkbausteine zusammen. Seine Sätze passen zueinander, jedoch ist der Rahmen streng kalkuliert. Da Fertighäuser meist in dicht besiedelten Gegenden gebaut werden, ist der Abstand zu den Nachbarn gering und der Freiraum eingeengt. In bestimmten Gegenden ist es auch ungeschriebenes Gesetz, dass der Vorgarten entsprechend gepflegt sein muss. Das bedeutet, es wird viel wortreicher Aufwand getrieben, damit der erste Eindruck ein guter ist. Dahinter kann es dann schon karger aussehen, die Gespräche sind eintönig, da es auch schon große Anstrengung wegen der Sparsamkeit gekostet hat, sich ein solches Haus bestellen zu können.


(Stoll-bau.de)


Wohnt das Sein in einer efeubewachsenen alten Villa, so gibt es in der Sprache immer wieder Neues zu entdecken. Die Wörter sind alt und wissen, wo sie hingehören – dadurch entsteht die nötige Ruhe, sich auf Forschungsreisen zu begeben, wenn die Neugier erhalten wurde. Die Tür dieses Hauses steht meistens offen, und Besucher sind immer willkommen, sofern sie sich angemessen anständig verhalten. In diesem Gebäude werden viele gute Gespräche geführt und hier hat so mancher schon einen neuen Gedanken für sich entdeckt. Es wird sehr viel Wert auf die Seinspflege gelegt. Bestechend ist natürlich das rote Zimmer mit der großen Bibliothek! Verbotene Gedanken gibt es eigentlich nicht, außer die Sprache wird zu oberflächlich, dann wird der Hausherr doch etwas unruhig.


(Schlösser und Herrenhäuser in S-H, HB-Bildband, auch das nächste)


Das Schloss als Herberge des Seins besticht natürlich durch seine Größe. Es ist riesig. Die Wortgebilde ragen soweit in die Wolken hinein, dass man bei zu langem Hochschauen einen steifen Nacken bekommen kann. Aber ist man erst mal drinnen, dann kann man nur die langen Flure und weiten Räume genießen. Die Sprache scheint grenzenlos und sie geht nicht, nein, sie schreitet oder lustwandelt. Es gibt Wörter für alles; es gibt dort auch Räume für bestimmte Zwecke, von denen man vorher noch nie etwas gehört hat. Wenn man spricht, dann hallt es nach und wer dem nicht gewachsen ist, fühlt sich schnell allein. Derjenige aber, der immer wieder Neues entdecken will, ist in dem Schloss genau richtig. Er wird Türen entdecken, die zuvor noch niemand geöffnet hat. Leider kann man Schlösser meistens nur erben. Ein Nachteil sind jedoch die hohen Decken und dadurch bedingte schlechte Heizbarkeit, weshalb sich schon so mancher Langzeitbesucher eine Rheumaerkrankung zugezogen hat. Richtig warm und gemütlich wird es dort in einer kalten Zeit nicht.


Wohnt das Sein in einer Eigentumswohnung, dann wird es das, aller Voraussicht nach, auch bis an sein Lebensende tun. Außer: der Besitzer bekommt noch einen Rappel und vermietet, um sich in die Welt aufzumachen. Anders als bei einer Mietwohnung wird hier viel mehr in die Substanz investiert. Diese Sprache ist auf Sicherheit bedacht, jeder Fehler kann fatale Folgen haben. Der Besitzer ist sich sehr wohl im Klaren darüber, dass die Wörter sein Eigentum sind und so redet er dann auch. Alles hat seine Ordnung und Beständigkeit; der Eigentumswohnungsbesitzer ist sehr dahinter her, dass die Kehrwoche eingehalten wird. Es gilt die Regel: das ist mein Wort und das ist dein Wort. Neues ist nur in Maßen willkommen und Fremde müssen erst mal zeigen, dass sie es wert sind, in ein Gespräch über Versicherungen eingebunden zu werden.
(Bild:Immobilien-scout.de)


Wohnt das Sein in einer Jurte oder einem Bauwagen, dann muss es nicht ausziehen, wenn es mal den Schauplatz wechseln möchte. Dieses Sein ist auf Wanderschaft und trotzdem lässt es sich nicht durch neue Umgebungen verwirren und verunsichern, da es seinen wohnlichen Kern immer bei sich behält. Es spricht frei aus sich heraus, kennt keine Grenzen und Verbindlichkeiten. Die Wörter tanzen abends um ein Lagerfeuer herum und feilschen auf dem Markt hartnäckig die Preise herunter. Hier werden die wirklich aufregenden Geschichten erzählt, natürlich einem wechselndem Publikum. Da hier die freien Ideen geboren werden, wirkt der Bauwagen sehr anziehend auf die Besucher. Traurig ist es nur für die, die eines Tages zu einem verlassenen Platz kommen. jurte

(P.H.-U.)

Samstag, 18. Juni 2005

Vom Punkt des Tons

In der Schule wird im Kunstunterricht oft die Übung „Malen nach Musik“ durchgeführt. Wem ist daher nicht die „Moldau“ bekannt?
Es ergab irgendwie meist ein Bild mit Wellen, bunten Kringeln, alles gut gemixt und durcheinander. Das Ganze sah anschließend äußerst kreativ aus und je doller (gekringelt), so könnte es interpretiert werden, desto besser. Da es um den individuellen Ausdruck des Wahrgenommenen und Empfundenen geht, um das Sichtbarmachen des in der Musik Erlebten, Umwandeln der Gefühle in Farbe und Form, Festhalten der gehörten Bewegung in Linien, gibt es natürlich kein richtig oder falsch! Oder?

Stelle man sich die Stimme des kleinen Prinzen vor, der ernst und bestimmt fordert: „Male mir einen Ton!“
Nun gibt es verschiedenste Töne: helle, dunkle, lange, kurze, breite, schmale, laute, leise, vibrierende, klare, ausklingende, knallende, sanfte, harte, schräge, treffende, anschwellende, hohe, tiefe und so weiter.
Kannst du einen Ton malen?
Wie sähe der aus? Ist es ein Punkt, eine Linie, ein Kreis, eine Welle?

In der Schule wird selten die Wahrnehmung (die äußere wie die innere) gründlich und sorgsam geschult, wenn es heißt: „Wachsmaler raus, Zeitungen unterlegen, wir malen heute die Moldau.“
„Zuviel des Guten“ bedeutet in diesem Bezug Verzicht auf genaues Wahrnehmen (z.B. Sammeln der Eigenschaften eines Tons s.o.), sorgfältiges Betrachten, trennscharfes Beobachten und vollständiges Begreifen. Nur durch Reduzierung auf das Wesentliche und zunächst Einfache kann man dahin kommen, dann das Ganze zu erfassen und zu begreifen.

„Beispieltöne“:

beispieltne1 (doc, 842 KB)

Donnerstag, 16. Juni 2005

Fragen und Antworten zu „Vom Problem, sich einzurichten“

(Kursiv: „anywhere“)
(Ich halte nicht allzu viel von Nicknames... Aber das liegt viell. an mangelnder Phantasie...), siehe auch: Link: Mathematikos, Philosophieforum

Zitat: ´'
Die junge Generation heute ist brav. Zumindest recht oder zie(h)mlich brav.
Mussten und konnten, ja geradezu durften ‚früher’ andere noch für bestimmte Rechte und Freiheiten kämpfen, so muss heute überlegt und geplant werden, was mit der vorhandenen Freiheit (und Freizeit) anzufangen ist.
Erkennst du das als Fortschritt oder soll das ein Nachteil sein?
Anders als in vergangenen Jahrzehnten wird heute eher schon wieder von dem Aufgebauten abgebaut: Hartz 4, Studiengebühren, Zeitarbeitssklaverei etc. Das zuvor Erreichte gleitet uns nun aus den Fingern.
Das würde heissen, die Jugend ist einer benachteiligteren Gegenwart ausgesetzt als wir es (Du - Ich) waren?

Wir aber sind nicht mehr erkennend vor die Umstände gestellt, die wir verändern könnten oder wollten, sondern wir sind mittendrin im Bergab. Da wir das Kämpfen nicht gelernt haben, weil wir nie mussten, wissen wir nun nicht, was tun!

Wer sagt, dass wir nicht in der Lage sind zu erkennen und zu verändern? Der Wille ist der Weg auch im Bergab! Kämpfen - wofür? Wer hat es nicht gelernt? Kämpfen um zu wissen was zu tun ist? Kämpfen war noch nie eine Lösung höchstens Mittel zum Zweck!?

Die heutige Zeit ist gekennzeichnet von einem „Es ist“, „so ist es (halt)“. Alles, was ist, wird als so Bestehendes hingenommen und man versucht sich darin einzurichten*.

Das ist eine Pauschalierung - wenn du dazu ein Beispiel anführen könntest?

Und damit wird der momentane Umgang des Menschen mit der ‚gesellschaftlichen Umgebung’ zu einer philosophischen Frage

Diese philosophische Frage wurde, so meine ich, noch nie geklärt?
*Schade, dass ich die Sendung nicht gesehen habe

Leibniz meint die Monade geht mit der Zukunft schwanger und beinhaltet die Vergangenheit - wo liegen die Ziele der Jugendlichen?
Nicht im Ausleben der Langeweile, denn die rosaroten Wolken der Morgenröte sind längst einer Gewitterstimmung gewichen, und es scheint vielmehr Ziel zu sein die eigenen Schäfchen ins Trockene zu retten um ein Überleben zu sichern und darin aufzugehen.
In einer sich entwickelten Konsumgesellschaft deren Kapitalismus bereits wieder abbrökelt ist es wesentlich schwieriger ein gestecktes Ziel zu erreichen, weil es gilt vorhandene Werte zu verteidigen, als in einer Zeit, in der es nichts zu verlieren gab und die Freiheit der Werte wie z.b. Liebe propagiert wurde.
Wir leben in einer Zeit, in der alles erlaubt zu sein scheint, und doch die Vereinsamung der Menschen die ihren Ausgleich in Fetischen (z.B. Konsumgütern,Sport, gesellsch.Stellung...)suchen, noch nie so groß war.
Das Denken hat möglicherweise festgefahrene Bahnen die genützt werden die gesellschaftl.Stellung zu nützen und auszubauen, aber nicht bei der Jugend, die zu tun hat ein Studium in möglichst kurzer Zeit so gut wie möglich abzuschließen, denn die Anstellungsplätze sind dünn gesät.
Klar ist, dass die Qualität des Erlernten darunter leidet.

LG



Antworten...

Zu: "Fortschritt oder Nachteil" und zur 'Pauschalisierung':


Ich habe mich mit dem „Einrichten in der bestehenden Welt“ auf die Sendung zu Sartre und die Aussagen über ihn und die heutige junge Generation bezogen. Ansonsten habe ich hierüber natürlich keine eigenen empirischen Erhebungen vorliegen, sondern kann nur auf meine Erfahrungen und Beobachtungen in Bezug auf Studierende zurückgreifen. Ja, ich empfinde es als Nachteil, wenn die Menschen, welche später Kinder erziehen und bilden sollen, selbst sehr unkritisch und brav sind und nicht die Möglichkeit sehen, dass die Dinge auch anders sein könnten. (Es gibt sicher Statistiken, wie viele Studierende an z. B. unserer Universität politisch engagiert – oder an Hochschulpolitik im weitesten Sinne interessiert sind. Das ergibt sich aus den jeweiligen Wahlbeteiligungen und der Mitgliedschaft in Gremien... Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie mau es ist.)
Es besteht ein großes Bedürfnis nach einer Verschulung der Universität. Wahlfreiheit von Veranstaltungen etc. wird negativ bewertet, Stundenpläne aufgrund der besseren Orientierung gefordert, Auswendiglernen wird dem „Prüfungsgespräch“ vorgezogen. Die freiwillige, selbstständige Auseinandersetzung mit selbst bestimmten Themen ist nicht zu erkennen. (Beispiel: Die Webloggestaltungen zu Veranstaltungen endete auf den Tag genau mit Semesterende, Ausnahmen bestätigen die Regel!, Quelle: Buero.twoday.net) Dies sind ja nur ein paar Beispiele für die Symptome.
Deutlich wird (u. a. auch durch die Aussagen der Jugendlichen zum Tod des Papstes J.) dass Werte hoch angesehen sind: Werte, die Orientierung bieten und Menschen, die diese Werte rigoros vertreten. Dadurch wird dem: „Wir leben in einer Zeit, in der alles erlaubt zu sein scheint“ (Zitat: anywhere) etwas entgegen gehalten.
Das kann Vorteile haben, birgt natürlich auch Gefahren.

Zu: Sind wir in der Lage zu erkennen?

Natürlich! Nur: Die Bereitschaft, sich mit dem eigenen Wahrnehmen und Denken wirklich und wahrhaftig auseinander zu setzen, ist gering (Verweis zu: „La tortura“ (2) Vergegenwärtigung der Ausgangssituation .
Es besteht meiner Meinung nach eine seit Jahren fortlaufende Negativspirale. Wir verstehen unsere eigene Sprache nicht – nach Heidegger aber ist die Sprache das Haus des Seins. Wir verwenden Begriffe oberflächlich, werfen damit um uns und können doch die wenigsten erklären (auch hierfür könnte ich Beispiele anführen, wenn Bedarf bestünde J.
Die wesentlichen Fragen werden nicht gestellt; es kann durchaus passieren, dass an unserer Universität – und das wird woanders genau so sein – jemand nach Jahren die Prüfung macht und besteht, ohne sich jemals die Frage nach dem Weshalb (Frage nach dem Grund) gestellt zu haben (oder dass sie ihm gestellt wurde). So kann aber auch dann die Sinnfrage nicht beantwortet werden (‚Wofür?’ als Komplement).

Zum Begriff „Kämpfen“:

Kämpfen ist ein starkes Wort, ein anderer Begriff für das, was ich darunter verstehe, wäre ‚Widerstand’. Eine Möglichkeit Widerstand umzusetzen ist Satyagraha, wie ihn Mahatma Gandhi begründet und gelebt hat.

[Satyagraha: „Festhalten an der Wahrheit“, Satya (Wahrheit) = Grundfelsen der Welt: „das, was ist“ – Wahrheit kann als „das, was ist“ niemals vernichtet werden]

Der Widerstand beinhaltet nicht nur die Aktionen, sondern vor allem auch die Voraussetzung dafür. Gandhi hat dies durch Askese erreicht, die ihn von materiellen Begierden befreit hat. Widerstehen bedeutet nicht still-stehen, sondern „im Fluss bleiben“, sich nicht von den äußeren Dingen ablenken lassen. Ziel (in Bezug auf diese Diskussion hier) könnte ein Satz wie folgender sein: „Ich widerstehe meiner eigenen Veräußerung“.
In diesem Sinne ist Widerstand Mittel zum Zweck, aber zugleich auch der Zweck schon selbst.

Zu: Diese Frage („ist alles, wie es ist?“) wurde noch nie geklärt...

Aber: Sie muss immer wieder gestellt werden!
Die Welt als Fertighaus zu betrachten, birgt die Gefahr, dass man selbst nicht mehr gestaltend aktiv wird. Manche ziehen in das Haus des Seins wie in ein möbliertes Fertighaus ein, ohne jemals den Fragen nach dem Sein zu begegnen.

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Die Philosophie stellt diese Frage, aber die Philosophie wird nicht „besucht“. Das Seiende (Vorliegende) wird als das Wahre betrachtet und damit ist jede weitere Frage verhindert. Philosophie als Pflicht? Ich weiß nicht, ob dies eine Alternative/Lösung wäre...

Zu: Vergangenheit und Zukunft in eins
Da wir nicht im Augenblick leben, sondern Zukunft als Termine gestalten – geleitet von den Erfahrungen (Vergangenheit), die unsere Wahrnehmungen zu bloßen Projektionen verunstalten, sind wir veräußert und von uns selbst immer mehr entfernt. Wir erleben den Fluss des Werdens nicht bewusst, da wir den Augenblick nicht kennen. So gibt es nur Vergangenheit UND Zukunft, ohne dass wir diese als „Jetzt“ erfahren.

Glück erleben ist nur möglich, wenn man im Augenblick lebt. Das Wort „Glück“ aber ist zum Beispiel in den Lehrplänen (und alle müssen durch die zahlreichen Verwahranstalten) nicht als Ziel von Bildung zu finden.

Samstag, 11. Juni 2005

Vom Problem, sich einzurichten

Die junge Generation heute ist brav. Zumindest recht oder zie(h)mlich brav.
Mussten und konnten, ja geradezu durften ‚früher’ andere noch für bestimmte Rechte und Freiheiten kämpfen, so muss heute überlegt und geplant werden, was mit der vorhandenen Freiheit (und Freizeit) anzufangen ist.
Anders als in vergangenen Jahrzehnten wird heute eher schon wieder von dem Aufgebauten abgebaut: Hartz 4, Studiengebühren, Zeitarbeitssklaverei etc. Das zuvor Erreichte gleitet uns nun aus den Fingern.

Wir aber sind nicht mehr erkennend vor die Umstände gestellt, die wir verändern könnten oder wollten, sondern wir sind mittendrin im Bergab. Da wir das Kämpfen nicht gelernt haben, weil wir nie mussten, wissen wir nun nicht, was tun!

Die heutige Zeit ist gekennzeichnet von einem „Es ist“, „so ist es (halt)“. Alles, was ist, wird als so Bestehendes hingenommen und man versucht sich darin einzurichten*. Und damit wird der momentane Umgang des Menschen mit der ‚gesellschaftlichen Umgebung’ zu einer philosophischen Frage.

* Leider habe ich von der Sendung auf arte (Siehe unter SONSTiges) nur einen kleinen Teil mitgenommen, ich beziehe mich hier inhaltlich auf einen französischen Philosophen, der zu Sartre interviewt wurde.

Der brave, nicht im Widerstand geübte, weil nicht auf ihn angewiesene, heutige Mensch sieht und nimmt die Welt so, wie sie ihm geboten wird. Er zweifelt nicht daran, dass sie so richtig ist bzw. denkt er nicht, dass sie anders sein könnte. Da er nicht erfahren hat, eigene Veränderungen erfolgreich durchzusetzen, fehlt ihm die Vorstellungskraft für solche Wege. Überhaupt mangelt es an Kritik, welche Voraussetzung ist für das Sehen von Möglichkeiten.

„Konfuzius ist der Auffassung, dass in der Geschichte der Menschheit alle Weisheit verborgen ist. Sie zu entbergen beschleunigt das Fortschreiten auf dem eigenen Weg. Er warnt aber davor, überkommene Werte einfach zu übernehmen. Es bedarf immer wieder der Prüfung ihrer Tragfähigkeit für die Gegenwart. Überkommene Werte können durch egoistische Interessen ihrer Lehrer oder durch Machtgehabe verfälscht sein.“ W. Schmid, Begriffskalender v. 10.6.05

Der in diese bestehende gesetzte und diese bestehende Welt als einzige betrachtende Mensch richtet sich also in ihr ein. Auf sich selbst bezogen, sucht er einen guten Platz für sich (Individualismus), da er schon merkt, dass es immer mehr Eisschollen gibt (Globalisierung; Kapitalismus, der sich wie ein Alien überall selbst gebärend vermehrt). Statt zu verändern oder Möglichkeiten ernsthaft zu denken, flüchtet er. Er flüchtet in eine Welt zurück, die er als „sie ist“ erfährt, was natürlich ein Trugschluss ist. Das Selber-Denken ist zu einer Etikette verkommen, es ist im besten Fall „schick“. Am liebsten werden Modelle an- und übernommen, die dann gewissenhaft auswendig gelernt werden; Kritik besteht dann darin, das, was nicht in ein Schema passt, als „Nicht passend“ zu identifizieren.

„In seinem philosophischen Hauptwerk L’être et le néant. Essai d’ontologie phénoménologique (Das Sein und das Nichts. Versuch einer phänomenologischen Ontologie), das das menschliche Bewusstsein als „Identität von Erscheinung und Existenz“ begreift, definierte Sartre die Schaffung eines eigenen Wertekosmos ohne Rücksicht auf Autoritäten, gesellschaftliche Normen oder religiöse bzw. moralische Konventionen als Hauptaufgabe des Seins. Zu diesem Entwurf der eigenen Existenz sei der Mensch, so der Philosoph, ebenso wie „zur Freiheit verdammt“. (Encarta) mehr ->sartre-encarta (doc, 44 KB)

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