Sonntag, 10. Juli 2005

Denken und Sein




(Zu „bindendes Dichten v. 3.6. Versuch einer Legende“)

Beziehung von Denken und Sein

„[...] das Denken ist als das sich öffnende Erblicken des in der Offenbarkeit erscheinenden Seins.“ (s. u. S. 19)

Das Sein des Einzelseienden lässt sich nur denkend erfassen. Damit ist es aber nichts nur Vorgestelltes. Das Sein der Erscheinungen ist das, wonach ein jedes weiß, wie es zu sein hat. Sein als mögliche Wirklichkeit gibt an, zu was etwas werden kann.

Das Gedachte selbst steht in der Zeit (als Gegen – Stand, also Stehendes) und auch das Denken, mit dem das Sein gedacht wird, steht in der Zeit, da es auch vergeht bzw. nur einen Ausschnitt (ein Jetzt) lang währt. Das Sein selbst steht auch in der Zeit, da es bleibendes Anwesendes des Erscheinenden ist, welches sich durch ein „Jetzt“ gekennzeichnet ist. (Alles, was im Jetzt ist, ist mehr seiend als wenn es vergangen oder noch kommend ist.)
Das Sein ist mehr als nur Gegenstand des Denkens, mehr als nur ein Moment des Werdens, da es auch das versammelt, was bleibend ist. Das Sein zeigt sich in Momenten des Werdens als Seiendes.

Das Gedachte ist nicht gleich dem Denken mit dem das Gedachte gedacht wird. Bewusstsein ist zwar immer ein Bewusstsein von etwas, wozu auch das Denken selbst zählen kann, aber der Gegenstand des Denkens ist nicht gleich Denken selbst. So unterscheiden sich Denken und Bewusstsein. Denken ist ein Prozess – und wenn ich mir einen Baum vergegenwärtige, dann „bäume“ ich nicht, sondern denke. Denke ich mir das Denken, dann denke ich dies so, wie ich mir einen Baum denke. Im Bewusstsein ist der Baum ‚Gegenstand’, doch er ist ‚entstanden’ durch das Denken, dass ihn formte.

Dieses Formen des Baumes durch das Denken kann geschehen, weil wir die Idee eines Baumes haben. „Sowohl Plato als auch Aristoteles erklären, das on, das Sein, sei das proton noeton, das bei allem Denken von etwas zuerst und immer schon Gedachte, damit überhaupt etwas gedacht werden kann.“ (s.u., S.25)
Das Sein des Baumes ist das, was an ihm zugleich anwesend und nicht vergänglich ist. Ein Baum als Gegenstand des Bewusstsein ist meines Erachtens in Bezug auf den Seiendzustand gleich einem Baum in der Natur, kommend und gehend, also vergänglich und bloßes Seiendes.

Sobald etwas erscheint, ist es als Seiendes vergänglich und das Sein ist in seinem Wesen auf bestimmte Weise gemindert. Das an dem Seienden anwesende Bleibende, das Sein, offenbart sich auf diese Weise, es ändert seine Gestalt je nach Seiendzustand (kommend, gegenwärtig, gehend).

Sobald etwas gedacht wird, ist das Gedachte vergänglich, das Denken ist in seinem Wesen auf bestimmte Weise gemindert, da es vergangen ist. Das an dem Gedachten anwesende Bleibende, das Denken, offenbart sich in dem Gedachten, es west in seiner Struktur an.


legende sein und denke0002


„Wenn aber die Griechen das Seiende als das im Unverborgenen Anwesende, als das Erscheinende, als Phänomen erfuhren, dann muss ihnen doch die Offenbarkeit als solche, die aletheia in einer bestimmten Gestalt erschienen sein. Die aletheia ist ihnen in zwei – freilich beschränkten – Gestalten erschienen: einmal als noein, Denken, und ferner als logos, Darlegen einer vorliegenden Sache in dem, was und wie sie ist. Das bezeugt einmal der bekannte Satz des Parminedes: ‚Denn dasselbe ist Denken und Sein.’ Ein Satz der das Wesen des Denkens bestimmt, demgemäß das Denken ist als das sich öffnende Erblicken des in der Offenbarkeit erscheinenden Seins. Desgleichen legt der logos die von ihm dargelegte Sache in dem, was und wie sie ist, offen. Das heißt also: Die aletheia, die Unverborgenheit des Seins, kommt im griechischen Denken immer nur bezughaft zur Sprache und zum Vorschein: im Bezug zum noein, zum Denken, und im Bezug zum logos, zur Aussage, nicht aber als sie selbst, als Unverborgenheit. So kommt es denn, dass wir bis heute dem Denken und der Aussage primär die Wahrheit zuweisen. (Volkmann-Schluck: Die Philosophie Martin Heideggers, Hrsg. Bernd Heimbüchel, Königshausen & Neumann, 1996, S.19)


Die postmetaphysische Seinsfrage
Die Frage „Was ist das ‚ist’, macht nicht das IST zu einem Seienden, das man auf sein Sein wiederum hin befragen kann. Heidegger fragt in ‚Sein und Zeit’ nach dem Sinn von Sein. „’Sinn’ meint das, woher das Verstehen von etwas entspringt, worin sich die Verstehbarkeit von etwas hält. ‚Sinn’ ist der Ursprung der Verstehbarkeit und des Verstehens von etwas. Im Falle eines Vorhabens ist das Woher seiner Verstehbarkeit das Wozu, der Zweck des Unternehmens. Was also möchte nun entsprechend die Frage nach dem Sinn von Sein in Sein und Zeit besagen? Einfach dieses: Woraus entspringt und worin hält sich das Verständnis von Sein?
[...] Sowohl Plato als auch Aristoteles erklären, das on, das Sein, sei das proton noeton, das bei allem Denken von etwas zuerst und immer schon Gedachte, damit überhaupt etwas gedacht werden kann. Denn wenn etwas überhaupt gedacht werden kann, dann denken wir es als etwas, was in irgendeiner Weise ist. Also ist Sein immer schon gedacht, d.h. immer schon irgendwie verstanden.“ (ebd., S. 25)

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rahelrath - 10. Jul, 17:41


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wfschmid - 13. Nov, 18:09
und mit soviel begeisterung:)
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Imke-Hinrichsen - 11. Nov, 20:32
:-) Er macht das doch...
:-) Er macht das doch echt gut, irgendwie ist er so...
rahelrath - 11. Nov, 15:59

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