Samstag, 4. Juni 2005

Wenn das Brechen zer

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Zerbrochen sind wir. An uns und in uns durch das Trennen. Wer Ordnung schafft, trennt sich vom Chaos, auch wenn dieses, ja permanent auch im Werden begriffen, immer nachrückt.
Geordnete Gedanken hausen am liebsten in Modellen. Ein Modell ist eine Einrichtung, die uns zeigt, wie etwas unter bestimmten Bedingungen funktioniert. So konnten viele Maschinen entstehen aber eben auch unser Weltbild, nein, inzwischen auch unsere Welt. Denn wahrscheinlich gibt es gar nicht so etwas wie ein „Weltbild“ – außer eben nur wieder als Modell: Ein Weltbild ist ein „Bild von Welt“, also nicht das Wahre, Wahrhaftige, Wahrheit, sondern nur der Abschatten davon. Wer in Weltbildern Welt erlebt, sieht durch die Schattenbrille nur Gefärbtes, nur von sich Getrenntes Einzelnes.

„Was das Seiende sei, ist im Zeitalter der Technik überhaupt keine Frage mehr; denn das Seiende ist jetzt das in seiner Wirksamkeit berechenbare Wirkliche, es ist seiend als das dem Wirken anbefohlene Wirksame. Die Frage, was das Seiende sei, erübrigt sich, und wenn sie noch gestellt wird, erzeugt sie nur Unsicherheit und Verwirrung. Dennoch wird für den Menschen ein Bild vom Ganzen des Seienden gefordert. Aber dieses Bild ist die Metaphysik nicht in ihrem Wesen, nicht als Entfaltung der Frage: Was ist das Seiende? Sondern die aus ihrem Wesen verdrängte Metaphysik, die Metaphysik in ihrem Unwesen. Die Willensherrschaft fordert von der Metaphysik sich in ihr Unwesen zu begeben und sich darin zu befestigen. Was sich uns hier als Metaphysik in ihrem Unwesen darstellt, ist uns unter dem Namen ‚W e l t a n s c h a u u n g’ bekannt. Die Weltanschauung ist die in ihr eigenes Unwesen verkehrte Metaphysik.“ Volkmann-Schluck, 74

Beispiele für das planmäßiges Zerbrechen in Teile aufgrund von „modellierenden Bildern“: (1) „[Ziel ist; Anm.] Lernen als Teil des Lebens zu begreifen.“
(2) „Wenn sich Schülerinnen und Schüler mit dem christlichen Bild der Welt und des Menschen auseinandersetzen, dann soll es ihnen helfen, sich selbst und andere besser zu verstehen.“
Natürlich können wir das hier wohl Gemeinte irgendwie entschlüsseln und ihm irgendeinen Sinn zuschreiben. Hinweisen möchte ich damit aber auf die hier offensichtlich fest- und vorgeschriebene Teilung, (1.) denn: Lernen ist ja Leben!, nicht nur ein Teil davon. Lernen wir nicht mehr, sterben wir (zumindest schneller). Was das Beispiel (2) meint, ist schon nicht mehr so leicht zu verstehen, da hier viele Aussagen in einen Satz gebracht werden, ohne dass die Relationen genauer bestimmt werden.
„Das christliche Bild der Welt.“ Gibt es das? Wenn Schüler sich mit diesem Abschatten (Ergebnisse der Welt-Bilder) auseinandersetzen, dann soll dies ihnen helfen, sich selber besser zu verstehen? Die Botschaft lautet also: Setze dich mit einem Abschatten, Abbild, Modell von etwas auseinander und du wirst dich selbst verstehen! Das klingt doch sehr nach planmäßiger Entfremdung! Dies sind nur zwei spontan gewählte Beispiele, sicherlich sind unzählige dort zu finden, wo es um planmäßige Erziehung und Bildung geht. (Die Beispiele sind entnommen aus dem aktuellen Lehrplan Sek. 1, Religion, Konzept der Grundbildung: S. 4. u. 15)

Noch mehr Beispiele:
Zerbrochenes I
up 10025

Zerbrochenes II:
up 20026

Zerbrochenes III:
up 30028

Wenn etwas bricht, dann bedeutet dies, dass etwas vorher Ganzes dann in Teilen daliegt. Wenn etwas zer-bricht, so ist dies noch etwas stärkeres, da das Brechen an sich zugleich noch mal zer-bricht.
Das Brechen zerbricht.
Es ist nicht nur ein Bruch, der Teile hinterlässt, mit einem Spalt dazwischen, sondern alles Gebrochene ist zugleich zerrissen, so dass nicht auszumachen ist, wo das Trennende sich befindet. Das Zer-brochene in und an uns, welches das Trennende nicht mehr ausmachen lässt, hat zur Folge, dass wir die Orientierung verloren haben. Zerbrochen können wir nicht mehr die Ganzheit sehen, welche unser Sein bestimmt. Nur noch durch Modelle und Weltanschauungen können wir dann Ausschnitte wahrnehmen. An diese klammern wir uns umso fester, je zer-brochener wir sind.

„Die Philosophie widerspricht entschieden der üblichen Vorstellung, wonach sie von den Einzelbezirken zum Ganzen fortschreite, gleichsam als der krönende Abschluss und Zusammenschluss wissenschaftlicher Einzelforschung zur Einheit eines sogenannten Weltbildes. Die Philosophie hat sich vielmehr bei ihrem ersten Schritt schon dem Ganzen als dem Seienden zugewendet, und aus dem Ganzen artikulieren sich auch erst die Hauptbezirke des Ganzen.“ (Volkmann-Schluck: Einführung in das philosophische Denken, S.27)


„’Sein’ kann nicht so zur Bestimmtheit kommen, dass ihm Seiendes zugesprochen wird. Das Sein ist definitorisch aus höheren Begriffen nicht abzuleiten und durch niedere nicht darzustellen. Aber folgt hieraus, dass „Sein“ kein Problem mehr bieten kann? Mitnichten; gefolgert kann nur werden: ‚Sein’ ist nicht so etwas wie Seiendes. Daher ist die in gewissen Grenzen berechtigte Bestimmungsart von Seiendem – die ‚Definition’ der traditionellen Logik, die selbst ihre Fundamente in der antiken Ontologie hat auf das Sein nicht anwendbar.“ (Heidegger: Sein und Zeit, S. 4)

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und mit soviel begeisterung:)
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:-) Er macht das doch...
:-) Er macht das doch echt gut, irgendwie ist er so...
rahelrath - 11. Nov, 15:59

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