Donnerstag, 12. Mai 2005

Auf der Suche nach dem Sein des Seienden 1

Seiendes gibt’s nicht? Gibt’s nicht! Macht nichts!
Seiendes wandelt sich. Und auch die Wahrnehmung befindet sich im stetigen Wandel, mit der sich veränderndes Seiendes erfasst wird. So sind wir als Wahrnehmende vor ein zweifaches Problem gestellt, sollen und wollen wir eine Aussage darüber machen, was ist. „Was ist“ meint hier das, was wahr ist, also wesentlich immer da ist – also ohne Wandel.

Alles, was mit den Sinnen wahrnehmbar ist, ist immer nur im Wandel da. Das so Daseiende ändert sich und ist in diesem Moment anders als im nächsten und im nächsten anders als im Vorangegangenen. Deshalb ‚ist’ das sinnlich Wahrnehmbare nicht. Wir können nur meinen, etwas sinnlich in seinem 'ist' zu erfassen. Aber das, was wir mit „das ist“ bezeichnen, ist und meint bloß Kommendes und Gehendes. Es gibt doch nichts, was ruht und bleibt und damit ohne Bewegung ist. Wenn sich alles ständig bewegt (wie die Jahreszeiten uns auch als Symbol für alles Aufgehen und Weggehen, Wiederkehren zeigen), gibt es kein bleibendes Seiendes und damit auch kein „es ist“.

Aber es gilt doch „dies ist ein Mensch“. Dieser ist ein Mensch, weil er Merkmale eines Menschen hat (z.B. den Verstand; siehe Fußnote, Zitat). Dadurch, dass er diese aufweist, ist er als Mensch bestimmt.
„Dieser Mensch ist.“ Dieser anders lautende Satz ist nach der Feststellung ständiger Bewegung nicht gültig und bringt zugleich erst die Frage auf nach dem, was den Menschen in seinem ‚ist’ ausmacht. Der Mensch wird geboren, geht zum Sterben hin und stirbt usw. Der Mensch kann also nur werden. Wenn der Mensch nur werden kann, dann kann er nicht sein, er ist vom „Ist“ ausgeschlossen.

Dieses Kommen und Gehen ist in dem Begriff WERDEN gesammelt bezeichnet. Das Werden erfasst Kommendes und Gewesenes, weil in ihm die Bewegung in beide Richtungen ausgedrückt ist. Etwas, das erscheint, erscheint kommend und gehend, es steht nicht fest und ‚ist’ einfach. Etwas, das aus dem Nichts entsteht und wächst, wird. Auch wenn etwas vergeht, ist es im Werden erfasst, da es zu etwas nicht (mehr) Seienden wird. „Kommen und Gehen“ ist im Werden in seinem „Ist“ erfasst.
Was gibt es, das den Dingen eigen ist, was selbst weder kommt oder vergeht? Das ist das Werden selbst, in seinem Wesen gedacht. Das Wesen des Werdens kann nur geistig gedacht werden. Das Wesen des Werdens ist das Sein.


Das physische Seiende erhält sein Seiend vom Werden. [...] Das Seiende also i s t nicht, sondern: das Seiende wird.
Wolfgang Schmid: Totzeit. Wuppertal; Kastellaun; Ratingen: Aloys Henn, 1968, S. 67

„Das Seiende ist das, was ist. Das Wassein bezeichnete die Philosophie bislang noch mit einem anderen Wort, nämlich mit: Wesen. Der Mensch ist. Demzufolge ist der Mensch ein Seiendes. Stellen wir die Frage: der Mensch, was ist das?, so fragt diese Frage schon über eines hinweg: über das Seiende oder anders gesagt: über das ‚ist’. Sie fragt sofort nach dem, was dieses Seiende ist, das da Mensch ist. Sie fragt nicht nach dem Seienden als solchen. Sie fragt nach dem, was ein Seiendes zu einem bestimmten Seienden macht; z.B. was einen Menschen als Mensch ausmacht. Sie fragt nach dem Menschsein; die Betonung liegt auf Mensch, nicht aber auf dem Sein. Die Antwort auf eine solche Frage lautet in unserem Beispiel: der Mensch ist das vernunftbegabte Lebewesen. Diese Aussage bestimmt das Seiende Mensch und grenzt es durch diese Bestimmung von allen anderen Seienden ab. Das Menschsein eint jegliche Seiende Mensch und vereint im Menschsein. Das Menschsein bestimmt, ob ein Seiendes Mensch ist oder nicht und grenzt es damit und dadurch gegen jegliches Seiende ab, das nicht Mensch ist, gegen das Nicht-Mensch-Sein.
Vernunftbegabtes Lebewesen zu sein ist das Wesen, das Wassein des Menschen. Die Wesensaussage des Menschen lautet: der Mensch ist das vernunftbegabte Lebewesen. Genauer gesagt: der Mensch west nur dann als Mensch, wenn er als vernunftbegabtes Lebewesen west.“ Ebd. S. 55

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wfschmid - 12. Mai, 21:45

Vorschlag

Für diese doch sehr schwierigen Texte müsste eigentlich ein Weblog "Metaphysik" angelegt werden, damit der Leser sich darauf einstellen kann ;-)

rahelrath - 13. Mai, 19:02

ein Menüpunkt ist schwupps

eingerichtet :-)
wfschmid - 16. Mai, 21:54

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